Shareholder-ID erheblich vereinfacht – Eine Zwischenbilanz nach einem Jahr Aktionärsrechterichtlinie II in der Praxis

Die Umsetzung der «Shareholder Rights Directive II» soll europaweit die Investorenrechte stärken und die Kommunikation zwischen börsennotierten Gesellschaften und ihren Aktionären verbessern. Vor einem Jahr, Anfang September 2020, traten die neuen Regelungen in Kraft. Zeit für eine Zwischenbilanz: Was hat sich für Unternehmen und Aktionäre verbessert? Im folgenden Beitrag beschreiben wir am Beispiel der Aktionärsidentifikation, wie sich die Prozesse eingespielt und wo sich Schwachpunkte aufgetan haben.

Die Umsetzung der SRD II-Regeln fiel im vergangenen Jahr nicht wie Manna vom Himmel. Mehr als anderthalb Jahre hatten die Markteilnehmer Zeit, sich auf die durch das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie („ARUG II“) auf sie zukommenden Neuerungen vorzubereiten. Ein Zeitraum, der offenbar nicht für alle ausreichend war. Der Anfang verlief zum Teil etwas holprig.

Gleich vier europäische Task Forces hatten sich zuvor um das Ausarbeiten einheitlicher europäischer Marktstandards für die Aktionärsidentifikation, Hauptversammlungs-, Corporate Actions-Information sowie ISO-Nachrichten bemüht, was abwicklungstechnisch natürlich sinnvoll ist. Die Einigung erfolgte aber offenbar zu spät, das vom Start weg alle Intermediäre darauf vorbereitet waren.

Das betraf vor allem die Aktionärsidentifikation, dem vielleicht wichtigsten Teil der neuen Regelung. Allerdings sind die Anforderungen hoch: Alle Beteiligten sind verpflichtet, Informationen unter strengen zeitlichen Vorgaben – in der Regel am selben Tag – auf elektronischem Weg weiterzuleiten. Das funktioniert nur dann zuverlässig, wenn bei den Intermediären ein vollautomatisierter Prozess aufgesetzt ist. Bedenkt man, dass zu den rund 450 in Deutschland gelisteten Unternehmen rund 4.500 weitere börsennotierte Gesellschaften aus der EU hinzukommen, welche die neuen Informationspflichten und -rechte in Anspruch nehmen können, kann es bei regem Gebrauch auch nur so funktionieren.

Gewährleistet werden soll das durch SWIFT-Anfragen. SWIFT ist das seit 1973 bestehende internationale Kommunikationsnetzwerk der Banken. Erst im Oktober 2020 hat SWIFT begonnen, die Aktionärsoffenlegungsanfragen im ARUG-konformen XML-Format zu übermitteln. Von zahlreichen Banken wurden diese Anfragen anfangs teils noch händisch bearbeitet und die Aktionärsinformationen per E-Mail in xls-Dateien übermittelt. Dies lief dem Ansinnen einer schnellen und möglichst automatisierten Bearbeitung natürlich zuwider.

Legitimation des Datenempfängers ist Knackpunkt im vollautomatisierten Prozess

Aber auch die Automatisierung ist nicht ohne Tücken. Denn im vollautomatisierten Prozess erfolgt auf die direkte Anfrage die direkte Reaktion. Hier muss also sichergestellt werden, dass nur autorisierte Datenabfragen bearbeitet werden, Aktionärsdaten nicht in falsche Hände geraten. Dies lässt sich aktuell über eine direkte SWIFT-Abfrage bei den Banken noch nicht gewährleisten. Und in der Tat gab es in der Anfangsphase Anfragen zweifelhafter Natur, die dann bei Nachfrage zurückgezogen wurden. Die Folge: Die Banken wollen Dienstleister nicht für die SWIFT-Anfragen autorisieren. Deshalb wurden im Prozess nun die Zentralverwahrer (Central Securities Depositories, CSD) dazwischengeschaltet, was in der Umsetzung der SRD II so eigentlich nicht unbedingt vorgesehen war. Unternehmen, bzw. die von ihnen beauftragten Dienstleister, müssen ihre Anfragen nun an Clearstream, OeKB & Co. schicken, welche die Anfragen an alle Depotbanken weiterleiten. Voraussetzung für das Weiterreichen ist, dass ein Letter of Approval vorliegt, der die Autorisierung des Dienstleisters für die jeweilige Anfrage durch den Emittenten zweifelsfrei belegt.

Das Ergebnis: Schneller und mit weniger Aufwand an bessere und mehr Aktionärsdaten

Selbst mit diesem Zwischenschritt ist unsere Erfahrung nach nunmehr rund 50 erfolgten Aktionärsabfragen, dass sich die Bearbeitungszeit von früher sechs bis acht auf nunmehr zwei bis drei Wochen halbiert hat. Eine weitere Verkürzung auf zwei Wochen ist das Ziel. Dabei werden Offenlegungsquoten von 95 bis 99 Prozent des Kapitals erreicht, was für die Emittenten natürlich ein hervorragendes Ergebnis ist. Auch der Aufwand hat sich gegenüber der manuellen Erhebung wie in Vor-SRD-II-Zeiten signifikant reduziert – und damit auch die Kosten, und zwar um mindestens die Hälfte. Das ist gut, denn so können sich Unternehmen eine Aktionärserhebung in kürzeren Abständen leisten, womit die Daten durch Status-Vergleich erst richtig an Aussagekraft gewinnen.

Apropos, die Qualität der Daten hat durch SRD II enorm zugelegt. Die Neuregelung erfasst auch Finanzintermediäre mit Sitz außerhalb der EU, wenn sie für ihre Kunden Aktien betroffener Gesellschaften verwahren. Das heißt, es gibt nun auch Bestandsmeldungen aus Ländern, von denen man früher so gut wie keine Daten erhielt, beispielsweise aus Lichtenstein oder der Schweiz. Und die Bestände lassen sich dank LEI bis auf den einzelnen Fonds herunterbrechen. Ein Emittent kann so auch erkennen, ob seine Aktien einem aktiv oder passiv gemanagten Asset zuordenbar sind. Das lässt wichtige Schlüsse für die Investor-Relations-Arbeit zu. Diese ist schließlich auch der wesentliche Nutznießer der neuen Möglichkeiten. Noch ist abzuwarten, welche Konsequenzen die Unternehmen aus den Erkenntnissen regelmäßiger Aktionärsstrukturanalysen ziehen werden und wie sie diese in Anpassungen ihrer IR-Strategien und -Aktivitäten ummünzen.

Problematisch bleibt, dass in manchen Märken, wie z. B. in Österreich, Depotbanken nur Bestände oberhalb der „Bagatellgrenze“ von 0,5 Prozent weiterreichen müssen. Diese Regelung, welche die Verwahrer vor zu viel Arbeit bewahren soll, erscheint im Zeitalter vollautomatisierter Prozesse überholt. Und sie schränkt die Verfügbarkeit von Informationen über private Anleger ein – eine Gruppe, die ohnehin am schwersten erreichbar ist. Gerade das Schließen dieser Wissenslücke würde neue Möglichkeiten in der Ansprache bislang anonymer Aktionärsgruppen öffnen. Glücklicherweise haben die Gesetzgeber der Länder mehrheitlich freiwillig auf den von der EU gegebenen Spielraum verzichtet. Bei den anderen gibt es an dieser Stelle Nachbesserungsbedarf.

Zudem ist die Aktionärsidentifikation nur für börsennotierte Unternehmen möglich, die in regulierten Märkten notiert sind. Dem gegenüber steht eine sehr hohe Nachfrage von Unternehmen aus dem Scale-Segment. Diese Unternehmen haben natürlich den gleichen Anspruch an Transparenz. Auch hier ist diese Einschränkung der Rechte auf Grund der nun guten Automatisierung der Prozesse nicht mehr zeitgemäß.

Lesen Sie im zweiten Teil unserer Zwischenbilanz, wie sich die SRD II auf die HV-Einladungen ausgewirkt haben.

Götz Dickert, Geschäftsführer Captrace GmbH