Nach KYC kommt KYS – Warum es für Unternehmen wichtiger wird zu wissen, wo ihre Aktionäre sitzen

Zugegeben, nicht viele Unternehmen haben so prominente Aktionäre wie der FC Chelsea. Der Oligarch Roman Abramovich hat seine Anteile vorausschauend einem Treuhänder übertragen, bevor seine Eignerschaft zum (noch größeren) Problem für den Londoner Fußballclub wurde. Für ihn angeblich eine Herzensangelegenheit. Dass auch Unternehmen, deren Aktionärsstruktur nicht ganz so Fokus des öffentlichen Interesses stehen, plötzlich  „ein Thema” haben könnten, ließ sich vergangene Woche beim deutschen Reisekonzern TUI verfolgen.

In beiden Fällen waren die Aktionäre aus russischen Oligarchen-Kreisen dem Unternehmen und der Öffentlichkeit bekannt. Und in beiden Fällen gab es nicht nur finanzielle, sondern auch strategische Verbindung zu Investoren, die nun auf Sanktionslisten in Europa und den USA stehen – was für beide Gesellschaften mehr oder weniger zur Belastung wurde.

Nun liegt es in der Natur der Sache, dass man sich seine Aktionäre als öffentlich notiertes Unternehmen nicht oder nur bis zu einem bestimmten Grad aussuchen kann. Warum und für welche Unternehmen ist es dann wichtig zu wissen, wer die Aktionäre sind und woher sie kommen?

KYC – In der Finanzbranche ist es Standard

Für Banken und Versicherungen, Güterhändler oder Immobilienmakler sollte das Know-your-Customer-Prinzip (kurz: KYC – englisch für „Lerne Deinen Kunden kennen“) bereits seit 2008 zum Standard gehören. Das Geldwäschegesetz (GWG) wurde damals neu gefasst, um das verdeckte Einschleusen von illegal erworbenen Vermögenswerten in den legalen Wirtschaftskreislauf effektiver zu verhindern. Nicht immer und überall funktioniert das so, wie gesetzlich und gesellschaftlich gewünscht. Kommen Mängel ans Licht, ist das nicht nur strafbewehrt. Es ist auch ein erhebliches Reputationsrisiko – und das nicht nur für die Unternehmen, sondern auch für die involvierten Personen. In der Finanzbranche wird die Abkürzung KYC daher auch mit „Kill your Career“ übersetzt.

Umfassende Risikoanalyse 

Unternehmen sind aufgrund der geltenden EU-Verordnungen und gemäß Außenwirtschaftsgesetz (AWG) verpflichtet, einen wirtschaftlich und technisch vertretbaren Aufwand zu betreiben, alle Geschäftspartner gegen die veröffentlichte europäische Liste Common Foreign & Security Policy (CFSP) zu prüfen. Das bedeutet, dass nicht nur exportierende Unternehmen, sondern auch Unternehmen die nur in Deutschland Geschäfte machen, alle Geschäftspartner, Lieferanten, Kunden und auch die Mitarbeiter gegen die Sanktionsliste prüfen müssen. Darunter fallen regelmäßig auch finanzielle Beziehungen. Diese Listen beziehen sich nicht nur auf Russland, sondern bspw. auch auf Iran, Nordkorea, Südsudan. Selbst die USA stand bereits einmal auf der Sanktionsliste der Europäischen Union. Eine Übersicht der aktuell geltenden Maßnahmen und betroffenen Länder findet sich auf der EU Sanctions Map.

Insbesondere wer geschäftliche Beziehungen zu Ländern auf der Sanktionsliste pflegt (oder zu Personen, die aus den jeweiligen Ländern kommen), ist gut beraten, sich ein umfassendes Bild seiner Beziehung in solche Regionen zu verschaffen. 

Das sich Vorzeichen schnell ändern können, mussten wir alle in den letzten drei Wochen schmerzhaft erfahren. Das, was gestern noch als Teil einer internationalen Wachstumsstrategie war, als guter und zuverlässiger Partner galt oder wie im Fall von TUI  vor einem Jahr noch als Rettung gefeiert wurde, kann morgen schon zur Belastung werden. Im Zeitalter sozialer Netzwerke und des “Naming und Shaming” können Themen sehr schnell eine große Dynamik entwickeln. Besser ist es, wenn die Unternehmenskommunikation auf solche Fälle vorbereitet ist und nicht kalt erwischt wird.

Abgesehen von möglichen Reputationsrisiken ist es von Vorteil zu wissen, ob Aktien des eigenen Unternehmens aufgrund von Sanktionen blockiert sein könnten oder umgekehrt mit vermehrten Verkäufen aus von Sanktionen betroffenen Regionen zu rechnen ist. Auch sollten Unternehmen durchaus auf Fragen von Investoren vorbereitet sein, ob sie wissen, wer ihre Aktionäre sind. Da ist es nicht verkehrt, wenn man mehr zu bieten hat, als ein Schulterzucken. Bei Finanzunternehmen können solche Fragen übrigens auch von der BAFin kommen – die Finanzaufsicht kann in einem sogenannten Inhaberkontrollverfahren untersuchen, wer investiert ist.

Die größten Risiken liegen in der Unkenntnis von Sachverhalten. Zu wissen, wer seine Aktionäre sind, gehört daher zum Risikomanagement.


 

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